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Urteil zu wöchentlichen und täglichen Ruhezeiten

Der Europäische Gerichtshof hat mit einer aktuellen Entscheidung Unruhe und Diskussionen in das österreichische Arbeitszeitrecht gebracht, auch in vielen anderen EU-Staaten. Konkret heißt es im Urteil vom 02.03.2023, C-477/21 zu einem Fall aus Ungarn, dass 
  • vor der wöchentlichen Ruhezeit jedenfalls auch die tägliche Mindestruhezeit von elf Stunden gewährt werden muss,
  • die tägliche Ruhezeit und die wöchentliche Ruhezeit aufgrund unterschiedlicher Zwecke getrennt voneinander zu sehen sind, und zwar auch, wenn die wöchentliche Ruhezeit im nationalen Recht ohnehin großzügiger als im EU-Recht geregelt ist (wie zB in Österreich 36 Stunden, während die Mindestdauer nach EU-Recht nur 24 Stunden beträgt).
Dies würde bedeuten, dass Arbeitnehmer einmal pro Woche Anspruch auf insgesamt 47 Stunden (11+36) statt bisher 36 Stunden Ruhezeit haben. Für Betriebe, in denen von Montag bis Freitag, aber nicht am Wochenende gearbeitet wird, spielt das keine Rolle. Betroffen sind aber viele Betriebe im Handel, im Hotel- und Gastgewerbe sowie in Branchen und Betrieben mit regelmäßiger Samstagsarbeit. 
    
Beispiele 
  • Endet der Dienst eines Handelsangestellten am Samstag um 13:00 Uhr, darf er frühestens am Montag um 12:00 Uhr wieder zum Dienst eingeteilt werden (11 Stunden tägliche + 36 Stunden wöchentliche Ruhezeit = 47 Stunden). 
  • Endet der Dienst eines Handelsangestellten am Samstag um 18:00 Uhr, darf er frühestens am Montag um 17:00 Uhr wieder zum Dienst eingeteilt werden (11 Stunden tägliche + 36 Stunden wöchentliche Ruhezeit = 47 Stunden).  

Eine von manchen Arbeitgebervertretern vertretene Gegenansicht besagt, dass die EuGH-Entscheidung Österreich gar nicht betreffe. Dies deswegen, da die Bestimmungen zur täglichen und wöchentlichen Ruhezeit (im AZG bzw. ARG) schon vor dem EU-Beitritt 1995 bestanden hätten und seither unverändert geblieben seien. Dabei handelt es sich allerdings um eine Minderheitsmeinung. Betroffene Betriebe sehen sich somit einer massiven Rechtsunsicherheit gegenüber.

Es bleibt zu hoffen, dass der österreichische Gesetzgeber in absehbarer Zeit reagieren wird, zB durch das Reduzieren der wöchentlichen Mindestruhezeit im ARG von 36 auf 25 Stunden (somit immer noch eine Stunde länger als der EU-Mindeststandard), wodurch die tägliche und die wöchentliche Ruhezeit gemeinsam wiederum 36 Stunden ergäben. Aufgrund der unterschiedlichen Haltungen einiger Institutionen wie den Gewerkschaften erscheint eine solche Gesetzesänderung allerdings schwierig. 

Empfehlung: Möchte man aus Unternehmersicht kein Risiko, etwa durch zB Urgenzen oder Anzeigen bei Kontrollen durch das Arbeitsinspektorat, eingehen, empfiehlt sich daher bis zur rechtlichen Abklärung oder einer allfälligen Gesetzesanpassung pro Woche die Gewährung einer mindestens 47-stündigen Ruhezeit am Stück (11 Stunden tägliche +36 Stunden wöchentliche Ruhezeit = 47 Stunden). 

Stand: 02.05.2023
Quelle: Kraft & Kronberger Fachpublikationen
Bild: Andrea Piacquadio