Arbeitsrecht und Corona-Impfung

Arbeitsrecht und Corona-Impfung

Die Frage nach einer möglichen Impfpflicht von Mitarbeitern und etwaigen arbeitsrechtlichen Folgen für "Impfverweigerer" sorgt nicht nur gesellschaftlich, sondern auch innerbetrieblich für Diskussionen. Abgesehen davon, dass die medizinische Wirkung von Corona-Impfungen, zB das Ausmaß des Übertragungsschutzes, und das Risiko möglicher Nebenwirkungen teils recht kontroversiell gesehen werden, bestehen auch auf rechtlicher Ebene einige Unsicherheiten.
Für den aktuellen Stand ist festzuhalten, dass die Rechtslage nicht abschließend geklärt ist und noch keine explizite Judikatur vorliegt.
Wir fassen den jetzigen Informationsstand aus juristischer Sicht – vor allem beruhend auf einschlägiger Fachliteratur – in einer Frage-Antwort-Sammlung zusammen. 
  
Gibt es eine gesetzliche Corona-Impfpflicht? 
Nein. Eine gesetzliche Impfpflicht ist in Österreich nicht vorgesehen, auch für das Gesundheits- und Pflegepersonal derzeit (noch) nicht. Das Epidemiegesetz sieht zwar vor, dass ua für Personen, die berufsmäßig in der Krankenbehandlung, Krankenpflege oder als Hebammen tätig sind, Schutzimpfungen angeordnet werden können (§ 17 Abs. 3 Epidemiegesetz), bislang wurden solche Verordnungen aber nicht erlassen. Das Gesundheitsministerium spricht daher nur von „moralischen Pflichten“. Auch wenn keine Impfpflicht im rechtlichen Sinn besteht, kann die Verweigerung einer Impfung aber arbeitsrechtliche Folgen haben (siehe weiter unten). 
   
Kann der Arbeitgeber die Mitarbeiter per Weisung verpflichten, sich einer Corona-Impfung zu unterziehen? 
Nein. Impfungen sind als medizinische Eingriffe in die körperliche Integrität der Arbeitnehmer zu werten. Ohne gesetzliche Impfpflicht kann der Arbeitgeber keine Impfanordnungen einseitig aussprechen. Falls ein Arbeitgeber ungeachtet dessen eine einseitige Impfanweisung erteilt, müssen diese nicht befolgt werden. 
   
Können sich Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstvertrages rechtsgültig dazu verpflichten, eine Corona-Schutzimpfung vornehmen zu lassen? 
In der einschlägigen Fachliteratur wird es, insbesondere aus Gesundheitsschutzgründen, als zulässig angesehen, dass Arbeitnehmer im Dienstvertrag ihr Einverständnis dazu erteilen, Schutzimpfungen vornehmen zu lassen. Prinzipiell wäre dies unabhängig von Branche und Tätigkeitsbereich denkbar (also auch bei Büromitarbeitern zum Schutz von Arbeitskollegen), praktisch ist dies aber in jenen Branchen von besonderer Bedeutung, in denen intensive Kundenkontakte mit erhöhtem Gefährdungspotenzial bestehen, wie in der Pflege. So gibt es immer mehr Unternehmen, vorwiegend im Gesundheits- und Sozialbereich wie Krankenhäuser, Kindergärten oder Behindertenbetreuungseinrichtungen, die eine Impfpflicht in den Dienstverträgen verankern.
   
Ist es zulässig, Arbeitnehmern, die nicht bereit sind, sich gegen Corona impfen zu lassen, Tätigkeiten ohne Kunden-, Patienten- bzw. Kollegenkontakte zuzuweisen? 
Eine Versetzung auf einen anderen Tätigkeitsbereich ist zulässig, wenn dies dienstvertraglich gedeckt ist und – in Betrieben mit Betriebsrat – die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung des Betriebsrates beachtet wird (gemäß § 101 ArbVG ist für dauernde verschlechternde Versetzungen die Einholung der Betriebsratszustimmung erforderlich).  
   
Dürfen sog. Impfverweigerer gekündigt werden? 
Das österreichische Arbeitsrecht beruht auf dem Grundsatz der Kündigungsfreiheit. Das bedeutet, dass auch arbeitgeberseitige Kündigungen ohne Angabe von Gründen zulässig sind. Lediglich besondere Gründe führen zur Anfechtbarkeit von Kündigungen, wie zB Diskriminierungen (siehe Gleichbehandlungsgesetz) oder die Motivwidrigkeit einer Kündigung (§ 105 Abs. 3 Z. 1 ArbVG).
Laut der einschlägigen Fachliteratur ist zur Frage der Motivwidrigkeit von Kündigungen, die im Zusammenhang mit der Ablehnung von Corona-Impfungen stehen, zu unterscheiden:
  1. Erfolgt eine Arbeitgeberkündigung, weil sich der Arbeitnehmer weigert, eine einseitige Impfanordnung des Arbeitgebers zu befolgen, kommt eine Kündigungsanfechtung wegen Motivwidrigkeit gemäß § 105 Abs. 3 Z. 1 lit. i ArbVG in Betracht. Die Erfolgsaussichten der Anfechtung hängen von vielen Details ab, insbesondere von der konkreten Tätigkeit, der Intensität der Kontakte, der drohenden Gefährdung von Kunden/Patienten durch mögliche Ansteckungen (zB Pflege von Risikopatienten), der Verfügbarkeit eines alternativen Arbeitsplatzes und der Möglichkeit von zumutbaren anderen Schutzmaßnahmen anstelle einer Impfung.
  2. Erfolgt eine Arbeitgeberkündigung, weil der Arbeitnehmer ein Angebot des Arbeitgebers auf Änderung des Dienstvertrags (hinsichtlich vertraglicher Verankerung einer Impfpflicht für die Zukunft) ablehnt, handelt es sich um eine zulässige Änderungskündigung, die grundsätzlich nicht wegen Motivwidrigkeit angefochten werden kann.
Diese Abgrenzung stellt eine juristische Spitzfindigkeit dar und kann in der Praxis schwierig handzuhaben sein. Dabei sind möglicherweise im Einzelfall Nuancen im Sachverhalt entscheidend. 
  
Was bedeutet das konkret für bestimmte Berufsgruppen (Gesundheitspersonal, Büroangestellte, Außendienstmitarbeiter, Filmschauspieler oä)?
Bei Angestellten im Gesundheitsbereich mit regelmäßigem Patientenkontakt ist dem Arbeitgeber ein „berechtigtes Interesse“ an der Corona-Impfung von Bewerbern und aktiven Mitarbeitern zuzugestehen. Die Impfverweigerung kann in diesem Bereich daher auch Anlass für eine Kündigung sein, ohne dass der Mitarbeiter auf eine erfolgreiche Kündigungsanfechtung wegen Motivwidrigkeit hoffen kann.
Bei Büroangestellten ohne unmittelbaren Kundenkontakt muss der Arbeitgeber erst alle alternativen Schutzmaßnahmen ausschöpfen, wie etwa die Anordnung zum Tragen von Masken, Plexiglas, Trennwände, ausreichende Durchlüftung, Gestaltung und personelle Besetzung von Arbeitsräumen. Nur wenn diese Schutzmaßnahmen nicht möglich oder unzumutbar sind, kommt ein „berechtigtes Arbeitgeberinteresse“ an einer Impfanordnung in Betracht. Kündigungen ohne das vorherige Ausschöpfen aller alternativen Schutzmaßnahmen wären daher in Hinblick auf eine Kündigungsanfechtung gefährdet. 
Im konkreten Beispiel von Personen, die an einer Filmproduktion mitwirken (zB Schauspieler, Kameraleute, Belichter) sind alternative Schutzmaßnahmen (Maske, Plexiglas uä) nicht sinnvoll umsetzbar. Hier besteht laut Ansicht zahlreicher Arbeitsrechtsexperten ein „berechtigtes Interesse“ des Arbeitgebers an geimpften Mitarbeitern.
Bei Mitarbeitern im Außendienst sowie jenen mit regelmäßiger Reisetätigkeit und/oder Einsätzen bei Kunden ist die Lage ähnlich wie in der Filmproduktion. Der Arbeitgeber hat es bei auswärts tätigen Mitarbeitern in der Regel nicht in der Hand, Maßnahmen, wie zB das Anbringen von Plexiglas, ausreichende Durchlüftung, räumliche Gestaltung von Besprechungsräumen, eigenverantwortlich umzusetzen. Daher wird auch hier ein „berechtigtes Arbeitgeberinteresse“ anzunehmen sein, sodass impfverweigernde Mitarbeiter in diesen Tätigkeitsbereichen ihre Kündigung riskieren.
   
Dürfen Stelleninserate dezidiert nach dem Corona-Impfstatus differenzieren?
Wenn sich Stelleninserate entweder nur an Geimpfte oder nur an Ungeimpfte richten, sind sie am Maßstab des Gleichbehandlungsgesetzes zu messen. Laut diesem dürfen Inserate keine Diskriminierung bezüglich Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Alter, Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung aufweisen. Entscheidend ist, ob die persönliche Einstellung zum Thema Impfung unter die Kategorie „Weltanschauung“ fällt. Angesichts der Spruchpraxis des Obersten Gerichtshofs ist dies zu verneinen. Als Weltanschauung werden persönliche Überzeugungen von der „Grundstruktur und Funktion des Weltganzen“ verstanden, nicht aber die Meinung zu einem einzelnen Thema wie zur Corona-Impfung. Somit verstoßen Stelleninserate, die nach dem Corona-Impfstatus differenzieren, bei nüchterner juristischer Betrachtung nicht gegen das Gleichbehandlungsgesetz. 
   
Was ist, wenn einem Bewerber die Anstellung aufgrund des Impfthemas verweigert wird?
Die Situation ist jener beim Stelleninserates sehr ähnlich. Da die persönliche Einstellung zum Thema Impfung nicht unter die Kategorie „Weltanschauung“ fällt, liegt im Regelfall keine Diskriminierung vor. Ein juristisches Vorgehen gegen die Jobabsage (zB Schadenersatz, Entschädigung für eine erlittene persönliche Kränkung etc.) hätte daher sehr geringe Erfolgsaussichten.

Stand: 31.05.2021, Erstelldatum 04.05.2021
Quelle: Vorlagenportal